Am 4. November zelebrierte die Zunft zum Stab einmal mehr den Jahreshöhepunkt, das Zunftessen
Traditionsgemäss begrüsste unser Meister Dr. Hans Vogt um 1730 Uhr den Zunftrat, die Ehrengäste und die Neuzünfter im Rathaus. Von den Talzünften, von der Säulizunft Arlesheim, beehrten uns Meister Michael Konrad und der Statthalter Roger Burri. Aus Basel waren der Meister der Vorstadtgesellschaft zur Krähe, Martin Weis, und Säckelmeister Alec Schärrer, sowie von der der E.E. Zunft zu Hausgenossen der Schreiber Dr. Balz Settelen zugegen. Natürlich, wie jedes Jahr, durften wir auch Persönlichkeiten aus der Politik und Wirtschaft als Gäste willkommen heissen, so unsere Regierungspräsidentin Kathrin Schweizer und den VR-Präsidenten der Firma «unser Bier», Fabian Wetter, mit welchen der Zunftrat dennoch mit einem guten Glas Wein angestossen hat.
Um 1830 Uhr fanden sich dann alle Zünftigen in der Zunftstube im Restaurant Stadtmühle zum Apéro ein. Mit gekonnt vorgetragenen Verszeilen, eröffnete unser Zeremonienmeister Moritz Bolcato nach dem obligaten Gongschlag den gemeinsamen Abend und hob dabei unter anderem die wichtigen Werte einer Zunft, das Pflegen der Freundschaft und des breiten Brauchtums, dass wir von Liestal bis Basel kennen und schätzen, hervor.
Als erster Gastredner richtete Meister Michael Konrad seine Grussworte an die Anwesenden und streifte dabei vier Berge, den Schulden-, den Zauber-, den Reb- und den Organisationsberg. Er zollte Respekt, wie Liestal zauberhaft alles unter einen Hut bringt, von Finanzen bis zum Verkehr. Gespannt blickt er sodann auf den Liestaler Zunftwein, denn die Säulizunft ist schon länger im Rebbau tätig. Und schliesslich sprach er die Bekanntheit unseres Meisters an, der weit über Liestal hinaus aufgrund seiner Unterschrift auf den Impfzertifikaten bekannt ist und überreichte ihm dem Sujet angepasst eine Säulimaske. Sein Wunsch auf einen sauglatten Abend sollte in Erfüllung gehen.
Nachdem sich alle Anwesende im Saal niedergelassen hatten, folgte bereits ein weiterer Höhepunkt. Von der regionalen Musikschule Liestal traten Consuelo Giulianelli, Sabrina Giger und Julia Stetak auf, zu einem musikalischen Gesangsvortrag, begleitet von einer Harfe. Sie nahmen uns mit auf eine musikalische Reise vom Spanien des 16 Jahrhunderts, über Venedig nach Irland bis ins Bündnerland, unter anderem mit einem Stück von Fanny Mendelssohn, der älteren Schwester des berühmten Komponisten Felix Mendelssohn, welcher das 19. Jh. prägte.
Nach der Vorspeise folgte die wie jedes Jahr mit Spannung erwartete Rede unseres Meisters. Mit vielen Themen gespickt bereicherte der Meister dieses 33 Zunftessen und beleuchtete einleitend die Geschichte, die Bedeutung und die Werte der Zünfte im Laufe der Geschichte, so wie etwa die Bedeutung von Vorstadtzünften oder dass Zünfte wie die Zunft zu Hausgenossen, in der Wechsler zusammenfanden und unter Aufsicht des Münzmeisters den Geldwechsel und Silberhandel regelten, bereits aus dem 13. Jahrhundert datieren, also unwesentlich länger als die Zunft zum Stab.
In der Folge würdigte der Meister unsere Regierungspräsidentin und Fabian Vetter, welcher mit «unser Bier» seit 2021 im Ziegelhofareal aktiv ist. Nach dem Motto «Wein auf Bier…» streifte der Meister unsere Weinproduktion, wo wir den Weisswein «zünftig weiss» bereits geniessen dürfen und nun gespannt auf den «zünftig rot» warten, welcher im 2023 erwartet wird.
Wie jedes Jahr stellte sich unserem Meister die Frage, welche Message er in seiner Rede machen möchte und liess uns an diesem Prozess teilhaben. Sollte es die Parkplatz Frage sein, das Gender oder Energie Thema oder wie es mit Frauen und Zunft steht? Schliesslich fiel der Fokus auf Werte, die in der aktuellen Zeit umso wichtiger scheinen, Wertschätzung und Verbindlichkeit. Angesprochen wird die gegenseitige Hilfe und Unterstützung im Rebberg, wo immer mehr dem Teamspirit folgen und kommen, wenn Arbeiten anstehen. Auch die zahlreichen Anlässe, die die Zunft erleben durfte und die Unterstützung beim Erhalt des Brauchtums, sei es an Auffahrt, den Jubilaren oder Neuzuzügern, sind nur möglich, weil die Zünftigen verbindlich Verpflichtungen eingehen, «machen». Für diese Einstellung und generell die aktive Beteiligung an der Beteiligung am Zunftleben spricht der Meister allen Zünftigen seine Wertschätzung aus. In der Gesellschaft ist ein Schwinden an Verbindlichkeiten und Wertschätzung erkennbar, so etwa eine fehlende Wertschätzung den Lehrern gegenüber.
«Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.» Dies sind nicht die Worte unseres, sondern eines wahren Meisters der Philosophie, Sokrates, welcher dies um rund 400 v. Chr. sagte. Beruhigend oder beängstigen sei dem geneigten Leser überlassen.
Grosse Wertschätzung, Respekt, äussert unser Meister gegenüber der Grossbaustelle der SBB, wo es zwar Geduld braucht hin und wieder, aber die Formen und Konturen die , unverkennbar sind. Auch die Zunft hat Ideen für das Schaffen von Neuem, etwa einem Rebhäuschen, der Beschilderung der Flurnamen oder die Errichtung des unteren Stadttors. Mit einem Apell an Wertschätzung und Verbindlichkeit und dem bekannten Zitat von Gotthelf «Im Hause muss beginnen…» schloss unser Meister seine Rede unter grossem Applaus.
Nach der Suppe wandte sich der Meister der Vorstadtgesellschaft zur Krähe, Martin Weis an die Anwesenden und legte dar, dass Krähen ganz problemlos den Weg nach Liestal ganz ohne Navi und – noch wichtiger – Verletzung des französischen Luftraums schaffen, im Vergleich zu einem prominenten Piloten in der Landesregierung. In seiner Rede legte der Meister dar, dass Liestal auch Teil des trinationalen Raums sei, die Region zu einem metropolitanen Siedlungsbrei verwachse. Gerade in diesen Zeiten von Metropolisierung und Globalisierung bestehe die Gefahr der Entwurzelung. Gerade jetzt sei das Pflegen der Wurzeln, also von Brauchtum und Traditionen als Teil der Geschichte, wichtig. Das Zunftessen sein eine dieser Gelegenheiten, dies zu teilen, gelebte Heimat und ein Zeichen der Verbundenheit.
Als kurzer Einschub sei erwähnt, dass die Vorstadtgesellschaft früher das Leben in der Vorstadt zu regeln hatte, so z.B. den Wachdienst, die Feuer- und Strassenpolizei sowie die Gerichtbarkeit über Brunnen- und Weidrechte.
Nach dem Genuss des Hauptgangs bei einem Glas Wein, führte Fabian Wetter in 7 Minuten und 5 Akten in die Welt von «unser Bier» ein. [Vorhang auf] 1. Bier ist gesund! Im Mittelalter, während die Pest tobte und das Wasser verseucht war, wurde Bier getrunken, um länger zu leben. Von dort stamme auch der Ausdruck «a beer a day, keeps a doctor away». 2. Seine Leidenschaft für’s Bier sei ihm in die Wiege gelegt worden. Er sei in einer Bierbrauerfamilie gross geworden und seit 2013 Diplom-Biersommelier. 3. Bier hält schlank. 1dl Wein hat 75 Kalorien, 1dl Bier dagegen nur 40 Kalorien. Das Problem müsse also definitiv in den Kalorien des Essens liegen. 4. «unser Bier» befindet sich unter den 20 grössten Brauereien der Schweiz. Bei den rund 1300 Brauereien sei es aber so, dass die 15 grössten 97% des Marktes beherrschen. Bei «unser Bier» seien 6 Personen festangestellt. Viele Freiwillige helfen zusätzlich, um die 6000hl Bier herzustellen. Bestens bekannt sind die Aktionärsversammlungen. 5. Ziel der Firma sei es, alle Rohstoffe aus der Nähe zu beziehen. Dies sei beim Hopfen 100% der Fall. Das Malz müsse noch aus dem Ausland bezogen werden. Ziel sei Nachhaltigkeit. Die Zwickeltradition lebe auch weiter. Das Bier kann auch bei Ehrenzunftherr Max Schweizer bezogen werden. Neu gibt es das Bier in einer schicken Dose in Andy Warhole Design. Gebraut und abgefüllt in Liestal. [Vorhang fällt]
Unmittelbar im Anschluss folge die Aufnahme der neuen Zünftigen. Einerseits Philippe Kern, welcher, als langjähriger Lokführer, aktuell die Ausbildung zum Fahrlehrer absolviert. Er ist zudem aktiv in der Feuerwehr Liestal. Andererseits Emanuel Senn, Senn Nummer 3 sozusagen, Sportphysiotherapeut mit einer eigenen Praxis «Kraftwerk» in Basel. Als ehemaliger aktiver Kunstturner ist er dem Sport im Leistungszentrum Kunstturnen immer noch eng verbunden. Geleitet wurde die Zeremonie der Neuaufnahme durch Statthalter Flavio Ossola. Meister Dr. Hans Vogt nahm die Neuen per Handschlag über das Zunftbanner in die Zunft zum Stab auf. Mit dem Zunftbrief, dem Zunftzeichen und der Zunftkrawatte ausgestattet, bedankten sich die Neuen für die Aufnahme bei den Anwesenden.
Nun war die Reihe an unserer Regierungspräsidentin, Kathrin Schweizer, welche sich für die Einladung bedankte. Sie stellte in ihrer Rede fest, dass sich die Aufgaben der Zünfte im Laufe der Zeit geändert haben. Ging es früher oft um Handel und Gewerbe, stehe heute der Gemeinschaftsteil und das Brauchtum im Zentrum. Dieses Engagement entlaste auch die öffentliche Hand, wofür sie dankbar sei. Auch die Pflege der Gemeinschaft sei gerade in diesen nicht einfach Zeiten, in denen Themen wie Pandemie, Krisen und Kriege die Nachrichten beherrschen, umso wichtiger. Mit ihren sozialen Aktivitäten trage die Zunft zu positiven Wahrnehmungen bei, sei es zum Tierpärkli, in welchem man auch mal abspannen kann oder mit diesem Zunftessen, wo man gemeinsam eine gute Zeit verbringen kann.
Sie wünsche sich ganz generell, dass wieder vermehrt selber Verantwortung wahrgenommen und weniger delegiert wird.
Den Reigen aller Redner schloss Dr. Balz Settelen, Schreiber der E.E. Zunft zu Hausgenossen. Er betonte gerade zu Beginn, dass bei Hausgenossen nicht an Kakerlaken oder sonstige unliebsame Bewohner zu denken sei. Erste Erwähnungen der Zunft finden sich bereits 1289. Damals hatte jede Stadt ihre eigene Währung. Der Bischoff von Basel prägte etwa seine eigenen Münzen. Und die «Hausgenossen» des Bischoffs waren sodann verantwortlich für diese Geldangelegenheiten. Der Bischoff war damals auch weltlicher Fürst und kontrollierte grosse Gebiete. Im 14./15. Jahrhundert stiessen auch noch die Silber- und Goldschiede sowie die Kannengiesser dazu. Heute sind es Berufe wie Bankiers und Goldschmiede. Einen ganz persönlichen Bezug zu Liestal habe er dadurch, dass seine Grossmutter von Kunstmaler und Restaurator Paul Friedrich Wilhelm Balmer 1901 bei der Renovation der Fassade des Rathauses in Liestal verewigt worden sei.
Die E.E Zunft zu Hausgenossen zählt heute ca. 200 Zünftige und hat ihr Zunfthaus an der Freien Strasse in Basel.
Nach dem Dessert schloss unser Zeremonienmeister den offiziellen Teil und es folgte noch das gemütliche Beisammensein, das erst unter Ausreizung der Polizeistunde ein Ende fand.
Ein wertschätzender Dank an dieser Stelle an all jene, die sich für die Zunft einsetzen, in kleinen oder grösseren Ämtli, aber auch an all jene, die einfach an der Gemeinschaft teilhaben, dabei sind und so dafür sorgen, dass wir zusammen verbindlich für Brauchtum und Tradition einstehen, um auch in einer Zeit, in der immer alles schneller dreht, nicht zu vergessen, woher wir kommen, nicht um in Altem stur zu verharren, sondern das Beste aus der Geschichte zu bewahren und gemeinsam erfolgreich in die Zukunft zu gehen.