Am ersten Freitag im November treffen sich die Zünftigen der Zunft zum Stab und Gäste jeweils zum alljährlichen Zunftessen, so auch an diesem herbstlich grauen und kühlen 3. November 2023. Der Zunftrat fand sich bereits um 1645 Uhr in der Zunftstube ein, um alles nochmals durchzugehen und auf den letzten Schliff zu bringen, was aufgrund der hervorragenden Vorarbeit unseres Bannerherrs Andreas Barth rasch erledigt war.
Danach erfolgte ab 1700 Uhr im Rathaus der Empfang der Gäste und Neuzünfter bei einem kleine Apéro. Dieses Jahr eingeladen waren Regierungsrat Thomi Jourdan, von der Zunft zu Rebmessern Reinach Meister Fredy Fecker und Statthalter Daniel Schuwey, von der Fa. Tiba AG CEO Lukas Bühler, von der E. Vorstandsgesellschaft zur Mägd Basel Meister Dr. iur. Christoph Nertz und Säckelmeister Dominik Senn, von der E. Zunft zum goldenen Stern Basel der altvorsitzende Meister Prof. Dr. med. Raoul Furlano sowie die beiden Neuzünfter Marc Löhle und Marius Ziegler
Meister Hans Vogt begrüsste die Gäste und Neuzünfter und stellte den gesamten Zunftrat kurz vor, um dann eine kleine tour d’Horizon durch die Geschichte Liestals und des Rathauses zu machen, welches 1538 gebaut wurde, einer Zeit, in der Zünfte auf der Landschaft noch verboten waren. Vielleicht ein Grund, weshalb die Zunft zum Stab erst 34 Jahre alt ist. Nach dem obligaten Gruppenfoto, geschossen wie alle Fotos an diesem Abend von Zunftherr Martin Spiess, begab sich die Gruppe gut gelaunt in die Zunfstube, wo sich bereits zahlreiche Zünftige zum Aperitif eingefunden hatten und bei einem guten Glas Zunftwein einen angeregten Schwatz hielten.
Unser «ehemaliger» Zeremonienmeister und «neuer» Statthalter Moritz Bolcato begrüsste die Anwesenden mit dem Zitat aus Forest Gump, wonach das Leben eine Pralinenschachtel sei, man nie wisse, was man bekomme. Aber für einmal, an diesem Abend, würde in allen Pralinen, die serviert werden, etwas Köstliches sein.
Das erste Praline war die Eröffnungsrede vom Meister der Zunft zu Rebmessern Freddy Fecker, der gestand, dass er die Rede von KI schreiben lassen wollte. Doch Chat GPT spielte nicht ganz mit, kannte weder «hochgeachtet», noch «Zünftige», nur Mitglieder und Vereinspräsident. Auch dass die Zunft zum Stab eine Vereinigung von Tischlern und Schreinern sein soll, ist nicht ganz richtig, schon gar nicht bereits seit dem 14. Jahrhundert. Nach erheiternden Worten beendete der Meister seine Rede mit der Feststellung, dass die KI sich lediglich nicht getäuscht hat, wenn sie festhält, dass die Geselligkeit eine wichtige Rolle spielt, denn das ist ja schliesslich auch der Zweck des Zunftessens.
Nachdem sich in der Folge alle Anwesenden im Saal an den Tischen niedergelassen hatten, die Gläser wieder voll waren, folgte die nächste hervorragende Praline, der Auftritte der Gruppe 4 le-Fanz aus dem Leimental, welche in Mundart auf humorvolle Art und Weise Szenen des Alltags besang, seien es Altersbeschwerden, nervenaufreibende Wanderferien, zu viel Sand am Meer oder was man sich einhandelt, wenn man sich einen Hund aneignet. Eine wirkliche humorvolle Einstimmung auf den Abend, https://www.4-lefanz.com.
Nach einer ersten Stärkung mit «Kraftbrühe mit Markbein» war es Zeit für die Meisterrede. Meister Dr. Hans Vogt begrüsste alle Anwesenden meisterlich und dankte den anwesenden Gästen für die Präsenz und streifte deren Herkunft kurz, etwa die kulinarischen Spezialitäten der Vorstandgesellschaft zur Mägd, Eigentümerin der Liegenschaft St. Johanns-Vorstadt 29, in der sich unter anderem das traditionsreiche Restaurant „Zur Mägd“ befindet, die Zunft zu Rebmessern, der ältesten Talzunft, seit 1958, demgegenüber die Zunft zum goldenen Sternen, welche bereits 1260 gegründet wurde, von Bader, Scherrer, Wundärzten und Chirurgen, was heute Ärzten und Coiffeuren entsprechen würde, einer spannende Kombination, welche damals wohl aufgrund der Instrumente Sinn machte, aus der Politik, Regierungsrat Thomi Jourdan, Ökonom, polyvalent, lang in der Politik und nicht Schaf- sondern Geissenbesitzer, und schliesslich aus der Privatwirtschaft Lukas Bühler der Fa. Tiba AG, welche seit 2021 in Liestal ansässig ist als einer der wenigen grösserem Industriebetriebe in Liestal. Der Meister liess das reiche Jahresprogramm nochmals Revue passieren und die weinischen Entwicklungen. Dass unserer Rebmeister nun Drohnenpilot ist und gewisse Arbeiten futuristisch erledigt werden können, zeigt, wie innovativ wir unterwegs sind. Dafür, und für die ganze geleistete Arbeit, gab es für den Rebmeister Martin Klaus einen Sonderapplaus. Die rhetorische Frage des Meisters, «gebt zu, der Wein ist besser, als ihr immer gedacht habt» musste dem Raunen und Kopfnicken an mit einem eindeutigen «ja» beantwortet werden.
Der Meister dankte auch allen anderen Zünftigen, die sich bei einem der zahlreichen von der Zunft organisierten oder mitgetragenen Anlässen eingesetzt haben.
In seinen meisterlichen Gedanken befasste sich Hans Vogt mit der Gleichgültigkeit, welche sich nicht nur bei der Wahlbeteiligung zeige, sondern generell als Nichtreaktion auf all die Impressionen und schlechten Nachrichten, die wir aus der ganzen Welt permanent erfahren. Bei all den Herausforderungen die anstehen, dürfen wir aber nicht in Gleichgültigkeit verfallen, sondern müssen diese aktiv annehmen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Diese Geisteshaltung lerne die junge Generation nicht in der Schule oder im Lehrbetrieb, sondern durch das Vorleben von uns allen, durch Zivilcourage, Beteiligung an kulturellen und gesellschaftlichen Tätigkeiten, dem Akzeptieren der Veränderungen und der Gestaltung der Zukunft. Wie das zu schaffen ist, zeigen auch die Zünfte, wo sich Leute aus allen Bereichen finden, über Grenzen hinweg, unabhängig des Alters und man sich gemeinsam für Brauchtum und gesellschaftlichen Anliegen einsetze. «Ewäg mit dr Glichgültigkeit, Prost!»
Nach einem feinen „Eglifilet nach Müllerinnenart“ stellte Meister Christoph Nertz die Geschichte der Vorstandgesellschaft zur Mägd kurz vor. Vorstadtgesellschaften bestehen lediglich aus dem Zunftrat und waren historisch nach Gebieten aufgeteilt und für gewisse Aufgaben in der Vorstadt, das heisst zwischen der äusseren und inneren Stadtmauer, zuständig. Trotz dem Einsatz von KI konnte er keinen historischen Zusammenhang zwischen der Zunft zum Stab und der Vorstandgesellschaft zur Mägd herstellen. Napoleon hat in Liestal nur gehustet und in Basel nicht in ihrem Zunfthaus, sondern im Drei König gespiesen, also auch kein gemeinsames Ereignis. Generell sei KI nicht nur gut, sondern manchmal zweifelhaft und die Möglichkeit des Missbrauchs sei gross. Es brauche aber auch keine künstliche Intelligenz um – auch wenn es zwar vielleicht keine historische Verbindung zur Zunft zum Stab gebe – in der Gegenwart gemeinsam und verbunden einen geselligen Abend unter Freunden zu verbringen. Prost.
Nach dem Hauptgang, einem „Aargauer Zwetschgenbraten“ mit Kartoffelstock und Gemüse, nahm uns der CEO der Tiba Lucas Bühler mit auf eine Reise durch die 175-jährige Firmengeschichte und teilte die Gedanken, die Freuden und Lasten eines CEO, der eine Firma auf die nächsten 175 Jahre vorbereiten muss. Eine Firma, die 1848 mit einem Betriebskapital von 5 Franken von Hemmiken nach Titterten zog, als es noch kein fliessendes Wasser gab und sich alles noch ganz langsam entwickelte, nicht wie heute, wo alles rasend schnell gehe. Klar sei Stillstand nicht gut, aber ein so schneller Wandel, wie wir ihn erleben, sei auch eine Last. «Was bleibt, wenn sich alles ändert?». Was bleibe seien die Beziehungen, zu den Mitarbeitenden, den Lieferanten, zwischen Ländern, Stadt und Land, generell die Beziehungen zwischen Menschen. Dies passiere auch bei diesem Zunftessen, man verbringe gemeinsam Zeit, knüpfe Beziehungen und nehme sich zusammen Zeit. Deshalb sei es das Richtige, bei diesem ganzen Wandel in Zeit und Beziehungen zu investieren. Auf das wurde beherzt angestossen. Übrigens, TIBA, Titterten Baselland…
Es folgte kurz danach eine weitere erfreuliche Praline, die Neuaufnahme von Marc Löhle und Marius Ziegler. Marc ist Geschäftsführer bei der Schild AG, einer Liestaler Traditionsfirma, zu der er eine 20-jährige Beziehung hat. Marius ist in der Geschäftsleitung der Ziegler Brot AG, und seit je mit Liestal verbunden. Wie – gemäss KI – die Vorfahren der Zunft zum Stab im 14. Jahrhundert hat er vor dem Einstieg in den Familienbetrieb Schreiner gelernt und war 20 Jahre in der Feuerwehr Liestal.
Ein herzliches Willkommen und ganz viel spannende Beziehungen und Kontakte wünschen wir euch!
Es folgte die Rede von Regierungsrat Thomi Jourdan, seit 25 Jahren in der Politik unterwegs und seit dem 1. Juli Regierungsrat im Kanton Basel-Landschaft.
Kurzweilig, humorvoll und frisch von der Leber gewährte Thomi Jourdan den Anwesenden einen Einblick in seinen Werdegang, den Bezug zu Liestal und in den Menschen Thomi Jourdan, der aber oft nur in der Rolle des Regierungsrates wahrgenommen werde, was einem bewusst mache, dass man primär in einen Job gewählt werde. Einen Job, der extrem vielfältig sei, vor allem auch von den Themen innerhalb der Direktion her. Wie man diesen Job schliesslich ausführe, hänge auch von den Werten ab, die einem geprägt haben. Bei ihm sei es Dankbarkeit und aufgrund der Art, wie sein Vater zu den Mitarbeitenden seiner Firma gestanden habe, auch als es wirtschaftlich nicht mehr so gut lief, Verantwortlichkeit. Beeindrucken würden ihn auch immer noch die Visionen gewisser Politiker in der Vergangenheit, etwas zum Rangierbahnhof in Muttenz oder der Idee, ein Tram von Basel nach Sissach zu haben. Dies seien Politiker mit Visionen gewesen. Er möchte als Politiker auch solche Visionen haben, auch wenn er wisse, dass man an Visionen scheitern könne. Aber er ziehe ein Scheitern vor, als sich irgendwie durchzumogeln und nur mit dem Horizont bis zu den nächsten Wahlen zu politisieren. Und das nimmt man Thomi Jourdan ohne zu zögern ab. Wie es Lucas Bühler gesagt habe, gehe es immer auch um Menschen und Beziehungen, Dankbarkeit und Verantwortlichkeit. Er danke auch der Zunft zum Stab für das Engagement für die Gesellschaft. Mit grossem Applaus verdankten die Anwesenden die Rede.
Den Abschluss der Redner machte vor dem „Apfelstrudel mit warmer Vanillesauce“ von der E. Zunft zum goldenen Stern, Basel, der altvorsitzende Meister, Prof. Dr. med. und Grossrat Raoul Furlano, welcher als Weinkenner zuerst den Zunftwein explizit lobte.
Der Ruf der Politiker sei nicht der beste, aber es gebe wie überall verschiedene Exemplare. Wichtig sei, sich für die Sache einzusetzen, die Allgemeinheit. Zu häufig gehe es heute nur um Klicks und Aufmerksamkeit und nicht um sachliche Diskussionen. Er werde oft gefragt, wieso er sich das antue, aber es sei wichtig, dass das Milizsystem lebe und die richtigen Personen politisieren und nicht nur die, die sonst nichts zu tun haben. Auch er kristallisierte in seiner Rede heraus, wie wichtig ein gutes Netzwerk sei. Es gehe darum, ein Gleichgewicht zu finden im Leben. Auch er stelle fest, dass die Aufgaben und die Belastungen zunehmen und alles nochmals schneller gehe. In solchen Zeiten brauchen die Menschen auch Ruhe und Zeit zum Denken. Dazu brauche es eine Umgebung der Geborgenheit, Freunde und Familie, ein Ort, an dem man nicht an seiner Leistung gemessen werde. Miteinander statt gegeneinander, und wie an diesem Abend, die Geselligkeit geniessen. Der Zunft zum Stab alles Gute.
Nun durchmischte man sich noch einmal, hielt hier und da einen Schwatz, genoss ein Glas Wein und saugte diesen geselligen Moment auf. Kurz vor Mitternacht stimmte Zunftherr Christian Rösch das Baselbieterlied an, worauf der offizielle Teil beendet war.
Das Zunftessen 2023 war ein voller Erfolg mit nur genusshaften Pralinen. Das Essen war hervorragend, das Programm abwechslungsreich, die Geselligkeit und der Austausch phänomenal. Man braucht keine künstliche Intelligenz, um zu wissen, dass in den hektischen und weltpolitisch angespannten Zeiten solche Momente der Geselligkeit, der Diskussion, des Austausches und der Netzwerkbildung unglaublich wichtig sind.